SWIPE des Monats Januar

Trotz meiner handwerklichen Ausbildung sind meine Fähigkeiten eher bescheiden ausgeprägt, Dinge des Alltags wie z.B. ein Regal für das Arbeitszimmer oder eine Blumenbank für den Balkon selbst zu basteln. Was aber nicht bedeutet, dass ich nicht in der Lage bin, Dinge Kraft meiner Fantasie zu erschaffen – beispielsweise interaktives Fernsehen.Ich brauche dazu einen TV-Sessel mit einem Knopf an der Seite, der mich in eine bequeme Liegeposition katapultiert, einen Film - am besten mit vielen Dialogen und dramatischen Beziehungsverwicklungen -, eine Decke sowie die beste Ehefrau von allen auf dem Sofa neben mir.

Zunächst sortiere ich das Personaltableau und bringe ich mich in Stimmung mit sinnfreien Fragen wie „ist das die Schwester oder die Schwägerin vom Bösewicht“, „der Dunkelhaarige war doch auch in der Arztpraxis dabei“ usw. Meine Frau bringe ich damit zum ersten Mal zur Verzweiflung und sie seufzt nur, dass ich doch erst einmal abwarten solle, bis mehr als der Vorspann gelaufen ist. Bei den ersten dramatischen Szenen (ein Kind wird überfahren und ins Krankenhaus eingeliefert; zur Silberhochzeit überrascht eine Frau ihren Mann mit dem Scheidungsantrag) ziehe ich mir die Decke über den Kopf und lasse mir von meiner Frau berichten, was passiert. Erst wenn sie mir mehrmals versichert, dass keine Bilder mehr aus dem Operationsaal oder vom bedröppelt dreinblickenden Ehemann zu sehen sind, steige ich wieder mit ein. Nach 20 Minuten sind diese Beschreibungen meiner Frau zum festen Bestandteil des Films geworden und somit schon die erste Stufe des interaktiven Fernsehens erreicht.

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